Es war in kleiner Journalistenrunde im Flieger auf dem Weg ins Nachbarland Irak, dem Abdullah Gül als erster türkischer Staatschef nach 33 Jahren einen offiziellen Besuch abstattete. Als die Rede auf die Provinz Nordirak kam, sprach der Präsident von der "Regionalverwaltung Kurdistan". Ein Reporter fragte nach: "Haben Sie gerade Kurdistan gesagt?" Und Gül antwortete: "Was sollte ich sonst sagen? So steht es in der irakischen Verfassung."
Es ist das erste Mal, dass ein türkischer Staatschef von "Kurdistan" spricht, und es ist ein großer Tabu-Bruch. In Ankara herrschte nämlich stets die Angst, dass bereits mit dem Gebrauch dieses Wortes der Forderung der Kurden auf einen eigenen Staat, der dann möglicherweise auch Teile der Türkei umfassen könnte, Vorschub geleistet werde.
Medienwirbel in der Türkei
Entsprechend ist die Äußerung Güls heute Aufmacher fast sämtlicher Zeitungen im Land. So lautet die Überschrift des Massenblattes "Hürriyet": "Erstmals offiziell Kurdistan". In der "Taraf" heißt es: "Staatspräsident Gül bricht ein weiteres Tabu - Kurdistan", und die liberale "Radikal" schreibt: "Und Gül hat es beim Namen genannt".
Welche Bedeutung der Schritt Güls hat, zeigt der sogenannte Kurdenkonflikt, der bislang weit über 35.000 Tote vor allem im mehrheitlich kurdischen Südosten der Türkei gekostet hat. Bis in die 90er-Jahre hinhein sprach man in der Türkei nicht von "Kurden" sondern von "Bergtürken". Bis heute ist es beispielsweise der Stadt Diyarbakir nicht erlaubt, ihre Homepage neben türkisch auf kurdisch zu publizieren.